Widerstand nützt gar nichts

Es kommen immer wieder Anfragen zu mir über Kinder, die totalen Widerstand zeigen und bockig sind und gar nicht hören, was die Eltern sagen.

Da erinnere ich mich an meine Lehrerzeit.

 

Manchmal muss man auch in fremde Klassen gehen. Und einmal ging ich in so eine Klasse hinein und alle Kinder schrien durcheinander und lärmten und rauften…. und dann hab ich mir gedacht: und wenn ich jetzt da hinein brülle, bringt das überhaupt nichts.

 

Und ich versuchte etwas ganz etwas anderes. Ich sprach ein Kind an, das in der 2. Reihe saß und sagte: „Ui, dein Pullover gefällt mir- wo hast du den her, der ist so bunt!“ Oder ich sprach über die Vorhänge, dass sie mir besonders gut gefallen.

Oder wieder ein anderes Mal sprach ich ein anderes Kind an und sagte: „Ich hab dich getroffen letztes- weißt du noch?“

Man wird nicht glauben, dass innerhalb weniger Minuten oder sogar Augenblicke es mucksmäuschenstill in der Klasse war, und alle Kinder plötzlich auf mich hörten, was ich zu dem einen Kind sagte. Ja, sie wurden aufmerksam, weil ich überhaupt nicht reagierte auf ihr wildes Durcheinander. Ihre Erwartung war, dass ich jetzt laut brülle und in totalen Widerstand gehe mit dem, was sie tun. Und genau das tat ich nicht. Das erstaunte sie und verwirrte sie sogar ein bisschen- deshalb war plötzlich alles ruhig und sie schauten, was passiert, es reagierte niemand auf unser Treiben also brauchen wir auch nicht weiter machen.

Das war für mich eine enorme Erkenntnis! Ich praktiziere das auch so bei meiner Tochter, als sie in Widerstand ging, gab ich einfach keinen Widerstand und das Thema löste sich von selbst auf.

 

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man innerlich ruhig ist. Da muss man sich natürlich seine eigenen Themen anschauen, auch als Lehrer ist man gefordert, dass man sich anschaut, was einem an einer bestimmten Situation so wütend macht- das sind meist Themen, die einem selbst betreffen: ich werde nicht beachtet, ich bin wertlos, ich bin hilflos, usw… wenn man als Lehrer auch emotionale Hygiene betreibt und seine Themen bearbeitet, dann fällt einem das Unterrichten und das in der Klasse sein viel viel leichter.

 

Auch zu Hause bei Eltern und Kindern kann man das natürlich so versuchen.

 

Das heißt, ich gehe nicht direkt auf dieses Thema ein, ich erde mich, ich bin ganz ruhig in meiner Mitte, und rede über etwas ganz anderes, zum Beispiel dass sie die Haare heute schön hat oder was wir heute kochen wollen oder wie soll das Wetter am Wochenende sein. Also etwas komplett anderes.

Wenn mich Kinder wütend machen, dann ist es meine Angelegenheit warum ich wütend werde. Das klingt furchtbar- ich weiß- aber es stimmt… wenn man keine Themen, keine Resonanz mehr hat, wenn einem nichts wütend macht, dann wird man auch nicht wütend. Das ist so wie wenn man eine offene Wunde hat und Salz darauf streut- so wird das weh tun. Wenn hier keine Wunde ist, dann merkt man gar nicht, dass hier Salz auf die Haut gefallen ist. Genauso verhält es sich mit anderen Dingen- wenn man keine Resonanz hat, bringt es einem nicht durcheinander oder nicht mehr ins Ungleichgewicht, nicht in den Zorn und nicht in die Unruhe.

 

Wenn man nun geerdet ist und total sicher und ruhig, und ein Kind versucht jetzt Widerstand zu geben, und es aber keinen spürt, wird es keinen mehr geben, weil es merkt, dass es keinen Sinn macht- viel mehr macht es Sinn, den Kindern Nähe spüren zu lassen, Verbundenheit, ich meine damit verbunden über das Herz. Da kann man sich zum Beispiel öfter mal hinstellen und sich vorstellen, dass sein Herz ganz weit offen ist und das Herz des Kindes auf der anderen Seite des Raumes erreicht. Das kann man nicht immer bewusst wahrnehmen, aber Kinder spüren das. Wenn man das täglich praktiziert, wird man viele Verhaltens- Änderungen bei Kindern bemerken.

 

Kinder wollen verstanden werden und in das Gefühl haben, dass man ihre Gefühle wertschätzt. Das muss man nicht mal sagen, denn oft sind Worte nur Worte und nicht wirklich mit Gefühl hinterlegt, deshalb ist es gut, wenn man erst einmal im Stillen versucht, die Gefühle des anderen wert zu schätzen, die Reaktion des anderen wert zu schätzen. Wertschätzung ist ein ganz großes Thema.

Ich habe sogar einmal versucht, meinen beginnenden Husten wert zu schätzen und siehe da: Er verschwand. Ich bedanke mich bei ihm, dass er mir meine Themen aufzeigt, meine Traurigkeit. Und weil er sich wert geschätzt gefühlt hat, ist er offensichtlich verschwunden. Das klingt jetzt wie Zauberei. Aber es geht dahin, dass hinter jeder Krankheit auch ein emotionales Problem oder ein emotionales Thema steht. Darüber spreche ich auch ein anderes Mal.

 

Für heute belasse ich es einmal dabei und eure Aufgabe ist es, zu üben, nicht in Widerstand zu gehen mit etwas, was einem widerfährt und man merkt man hätte eigentlich Widerstand.

Das ist eine gute Übung für viele Dinge, die einem im Alltag begegnen, nicht nur bei den eigenen Kindern.

Ich wünsche euch gutes Gelingen und viel Freude!

 

Eure Silvia